Kinderrechte - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

November 1989 ist für die meisten Deutschen mit dem Mauerfall verbunden. Es gab aber noch eine weitere enorme gesellschaftliche Errungenschaft: Am 20. November 1989 wurden erstmals die Kinderrechte verbindlich in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben. Es war ein langer Weg bis zur Niederschrift von Rechten speziell für Kinder. Um diesen Werdegang zu verstehen blicken wir auf die historische Entwicklung zurück:

 

Die weitaus längste Zeit in der Menschheitsgeschichte galten Kinder als noch nicht vollwertige Menschen. Sie waren das schwächste Mitglied der Gesellschaft den Erwachsenen in jeder Hinsicht unterlegen und ihnen daher rechtlich und faktisch nicht gleichgestellt. Bis in die Neuzeit hinein gehörten Kinder zu Besitz und Hausstand der Eltern, die über Leben und Entwicklung, Ausbildung und Arbeitskraft bestimmten. Das Bild vom Kind veränderte sich im Zuge der Aufklärung. Neben der Anerkennung eines eigenständigen Lebensrechts des Kindes setzte sich die Auffassung durch, dass Kinder einer besonderen Förderung bedürfen.

 

Im 19. Jahrhundert wurden erste Arbeitsschutzgesetze erlassen. Verbote von "grober" Misshandlung und "unangemessener" Züchtigung durch Eltern, Lehrer, Lehrherren und Heim- und Gefängnisaufseher wurden eingeführt und Lebensbedingungen, Gesundheit und das Wohl der Kinder wurden zusammen mit der "sozialen Frage" zunehmend Gegenstand des öffentlichen Interesses. Die schwedische Pädagogin und Frauenrechtlerin Ellen Key, forderte in ihrem 1900 erschienenen Buch "Das Jahrhundert des Kindes" unter anderem ein Recht jedes Kindes auf körperliche Unversehrtheit. Eine Bewegung, die umfassende Rechte für Kinder verlangte wurde geboren.

 

Das Kinderelends im Ersten Weltkrieg bewegte die Engländerin Eglantyne Jebb 1920 den Lobbyverband "Save the Children International Union". Ein Fünf-Punkte-Programm (Children's Charter) enthielt grundlegende Schutzverpflichtungen der Erwachsenen gegenüber den Kindern und bildete die Grundlage für die vom Völkerbund 1924 verkündete, nicht rechtsverbindliche "Geneva Declaration". Auch der Kinderarzt und Pädagoge Janusz Korczak forderte ein Recht des Kindes auf unbedingte Achtung seiner Persönlichkeit als Grundlage sämtlicher Kinderrechte. "Das Kind wird nicht erst ein Mensch, es ist schon einer", lautete die Quintessenz seiner Anschauung.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedeten die Vereinten Nationen die "Deklaration über die Rechte des Kindes". In dieser Deklaration wird das Kind erstmals auf internationaler Ebene als Rechtsträger bezeichnet und der Begriff des Kindeswohls ("best interests of the child") eingeführt. Diese war jedoch nicht völkerrechtlich verbindlich und sollte sich mit der 1989 verabschiedeten Kinderrechtskonvention ändern. Ein Jahr zuvor hatten sich zwölf Verbände zu ihrer ersten internationalen Konferenz in Leiden/Niederlande getroffen. Das Ziel war es Standards anwendbar in allen Ländern trotz der unterschiedlichen Gesundheitssyteme festzulegen. Die Verbände verfassten zu diesem Zweck 10 Artikel über die Rechte von kranken Kindern und Jugendlichen vor, während und nach einem Krankenhausaufenthalt. Die Kooperation zwischen den Verbänden aus unterschiedlichen Nationen wurde fortgeführt und erhielt 1993 den Namen EACH (European Association for Children in Hospital). Die 1988 verfassten Artikel hießen ab diesem Zeitpunkt EACH-Charta.

 

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde 1992 in Deutschland unter vorbehalte ratifiziert und 2010 bedingungslos geltend gemacht. Sie ist allerdings bis heute nicht im Grundgesetz verankert. Das Grundgesetz regelt die Staatsorganisation, sichert individuelle Freiheiten und errichtet eine objektive Werteordnung. Es enthält jedoch fast nur Aussagen über Kinder und nicht für Kinder.

Die in Artikel 4 der UN-Kinderrechtskonvention enthaltenen Verpflichtung, alle geeigneten Gesetzgebungsmaßnahmen "zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte" zu treffen, kommt die Bundesrepublik Deutschland somit nicht ausreichend nach. Die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz würde nicht nur die elterliche Verantwortung stärken, sondern auch die Berücksichtigung von Kindesinteressen im politischen Fragen fördern und ein Zeichen für den hohen Stellenwert der Kinder und Jugendlichen in Deutschland setzen.

 

Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz mit einem Kindergrundrecht ein wichtiges Vorhaben. Bis Ende 2019 soll ein erster Vorschlag ausgearbeitet sein.

 

Der AKIK-Bundesverband möchte ausdrücklich betonen, dass die Verankerung im Grundgesetz nur dann einen Zugewinn für Kinder haben kann, wenn diese auch über ihre Rechte ausführlich infomiert und sie in die Lage versetzt werden, diese auch geltend zu machen.


Plädoyer für die Achtung der Rechte kranker Kinder

In Tutzingen fand am 29. und 30. April 2019 der 1. deutschen Kindergesundheitsgipfel – Expertentagung zur Bedeutung der Kinderrechte für die Kindermedizin – statt. AKIK war eingeladen einen Workshop zum Thema „Umsetzung der Kinderrechte in der akademischen Kindermedizin“ zu geben. Es wurde in den zwei Tagen deutlich aufgezeigt, dass Kinderrechten in Deutschland zu wenig Beachtung geschenkt wird bzw. die Einhaltung dieser Rechte nicht genug verfolgt wird. Der Kindergesundheitsgipfel soll in Zukunft regelmäßig stattfinden, damit die Kinderkliniken in Deutschland ihren Forderungen im Schulterschluss mit Eltern und Kindern mehr Verhör schaffen können.

In dem Plädoyer für die Achtung der Rechte kranker Kinder werden die Ergebisse der Fachtagung zusammengefasst und die Forderungen an Politik und Gesellschaft dokumentiert.

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Tutzinger Plädoyer-1.pdf
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